Entwicklung der Hubschrauber

bis 1900






Der griechische Mathematiker und Physiker Archimedes (287-212 v. Chr.) stellte die Behauptung auf, dass jeder in Flüssigkeit getauchte Körper entsprechend seinem spezifischen Gewicht einen Auftrieb erhält. Dieses Gesetz vom Auftrieb, ebenso wie seine Erkenntnisse über die Funktion der Schraube, damals in der Wasserförderung schon praktisch angewandt, verhalf 1700 Jahre später Leonardo da Vinci (1452-1519) zur Erkenntnis dass die Luft eine für die Auftriebserzeugung eines sich drehenden Blattes erforderliche Dichte aufzuweisen hat.

Leonardo da Vinci hatte sich bereits eingehend mit dem Studium der Voraussetzungen für den Menschenflug befasst. Er unterschied bereits Start- und Drehflügel und skizzierte verschiedene technische Ausführungsformen. Leonardo nahm an, dass eine spiralförmige Fläche, an einem Mast mit entsprechender Geschwindigkeit in Umdrehung versetzt, imstande sein müsste, eine Last vom Boden zu heben und in der Luft zu halten. Eine, auf dem Prinzip der Schraube beruhende Konstruktion, zeigte mit dem vertikal stehenden Rotormast bereits die Grundzüge der heutigen Hubschrauber. Leonardo wählte für seine Maschine die Bezeichnung "Helix", das griechische Wort für Spirale, das dann später mit dem gleichfalls aus dem Griechischen stammenden Wort "pteron", d. h. Fläche, Flügel - kombiniert wurde und so zu der geläufigen Bezeichnung "Helikopter" führte. Leonardo war kein Experimentator und so ist anzunehmen, dass weder ein Modell gebaut, noch sonstwie praktische Versuche zu jener Zeit unternommen wurden.

1784 Dreihundert Jahre später wurde Leonardos Idee mit einigem Erfolg in die Tat umgesetzt. Während der Pariser Weltausstellung 1784 wurde von den Franzosen Launoy und Bienvenu ein Spielzeug vorgeführt, dass mit zwei gegenläufig arbeitenden Rotoren imstande war, Flüge bis zu 20 m Höhe durchzuführen. Als Antrieb diente ein Bogen, und die Rotoren bestanden aus Hühnerfedern. Es gab den Anstoß zu weiteren Erfindungen auf diesem Gebiet. Große Geister glaubten damals, dass der Flug des Menschen überhaupt nur mittels Drehflüglern verwirklicht werden könne.

1796 Sir George Cayley, ein englischer Erfinder, konstruierte ein Modell, das außer vier, paarweise an Auslegern montierten Rotoren, erstmals zwei Propeller für den Schub benützte. Als Antrieb diente eine Dampfmaschine, deren Gewicht für einen erfolgreichen Flug jedoch zu groß war.

1816 benutzte Jakob Degen aus Wien für den Antrieb seines Koaxial-Rotors ein in eine Metallhülse eingebautes Uhrwerk. Den Absturz verhinderte ein kleiner Fallschirm, der sich nach dem Ablaufen des Uhrwerks automatisch öffnete.

1828 Vittorio Sarti wollte 1828 in Bologna sein Luft-Segel-Schiff "Aereo Veliero" mit zwei gegenläufigen Koaxialrotoren betreiben, die von Luftstrahlen angeblasen, gedreht werden sollten. Je drei Segelflächen als "Rotoren", koaxial übereinander angeordnet, ein enormes Steuersegel und ein Ausgleichsgewicht für die Schwerpunktlage waren die besonderen Merkmale dieses Projektes.

1842 liess der Engländer W. H. Phillips das erste reaktionsgetriebene Hubschraubermodell fliegen. Phillips, der als Erfinder des Feuerlöschers bekannt wurde, benutzte ein Kraftstoff-Luft-Gemisch aus der Verbrennung von Holzkohle und Salpeter, das durch Auslassöffnungen an den Blattspitzen die Rotoren in Drehung versetzte. Das Modell von ca. 900 g Gewicht flog über mehrere Äcker und zerschellte schliesslich bei der Landung.

1843 Robert W. Taylor, Sohn eines 1819 nach Amerika ausgewanderten Engländers, erarbeitete ein Konzept für den Auftrieb mit Hilfe schräg gestellter Luftschrauben und einer Blattwinkelverstellung auf null Grad für den Vorwärtsflug, bei dem die inneren Rotorblätter und der entgegengesetzt drehende 8-Blatt-Rotor eine geschlossene Scheibe bilden sollten. 1842 unterbreitete Taylor diesen Vorschlag dem berühmten Luftfahrtpionier in England, Sir George Cayley, der im Alter von bereits 70 Jahren das Taylorsche Konzept 1843 mit zwei seitlich angeordneten Koaxialrotorpaaren und zwei Luftschrauben für den Horizontalflug weiterentwickelte. Für den Antrieb war eine Dampfmaschine vorgesehen, deren Gewicht für einen praktischen Flugbetrieb jedoch zu schwer war.

1845 In Frankreich entwickelte Cossus 1845 ein Schraubenflieger-Modell, bei dem er eine große Tragschraube in der Mitte fest einbaute und die beiden seitlichen Schrauben für den Obergang zum Horizontalflug kippbar anordnete.

1862 Mortimer Nelson kreierte 1862 in den USA das Kipprotor-System mit jeweils vier Rotorebenen auf zwei Masten sowie einem Seitenruder. Ebenfalls 1862 wurde von dem Franzosen Gustave Ponot d'Amecourt erstmals ein Hubschraubermodell mit zwei gegenläufigen, an einem Mast sitzenden Rotoren gezeigt. Obwohl die Dampfmaschine aus Aluminium gebaut war und das Modell nur etwa 2 kg wog, war ihm ein Erfolg versagt.

1869 Der bedeutende russische Elektrotechniker und Erfinder A. N. Lodygin unterbreitete 1869 seinem Kriegsminister den Entwurf für einen von einem Elektromotor angetriebenen Hubschrauber mit Hauptrotor und einem schwenkbaren Propeller an einem Ende für den Vortrieb und zur Steuerung. Nach eingehender Prüfung durch eine Kommission wurde das Projekt als "in der Praxis nicht durchführbar" verworfen.

1870 Der stellvertretende Direktor des Physikalischen Hauptobservatoriums, Michael A. Rykatschow, unternahm in Russland 1870 Untersuchungen über die Hebekraft der Schrauben. Eine Vierblatt-Schraube mit beachtlichem Durchmesser, in der sich die Rohre für den direkten Dampfantrieb befanden, ist als Hauptrotor zu identifizieren, einer Fünfblatt-Schraube, die über eine Welle betrieben werden sollte, war die Funktion des Heckrotors zugedacht.

1874 Fritz und Wilhelm von Achenbach aus Weidenau an der Sieg haben damit 1874 als erste das Haupt- und Heckrotor-System dargestellt. Die Plätze für die Passagiere waren rings um die im Schwerpunkt vorgesehene Dampfmaschine eingeplant, ihr Entwurf wurde deshalb von den Zeitgenossen "Fliegender Wurstkessel" genannt. Sie konnten nicht ahnen, dass damit die heute meist gebräuchliche Hubschrauberform erfunden wurde.

1875 In Frankreich testete 1875 M. Drzewiecki sein "Luftvelociped" mit zwei gegenläufigen übereinander angeordneten Rotoren von 4,50 m Durchmesser sowie je einen Propeller rechts und links der Maschine von je 1,80 m Durchmesser für den Vortrieb. Der Antrieb erfolgte mit der Muskelkraft des Piloten über eine Kurbelwelle. Trotz grösster Anstrengung war es nicht möglich, diese Konstruktion zum Fliegen zu bringen.

1877 Das erste Modell, das angeblich zehn Meter hoch stieg und sich bis zu zwanzig Minuten in der Luft hielt, war eine von dem Italiener Enrico Forlanini konstruierte Verbesserung des Hubschraubers von d'Amecourt. Die Flächen des unteren Rotorsystems waren weiter von der Drehachse entfernt als die oberen und gestatteten dadurch einen freieren Fluss der Luft. Das Gewicht betrug einschließlich der 0,2 PS starken Dampfmaschine ca. 3 kg. 1877 wurde damit zum ersten Mal die Möglichkeit des Hubschrauberflugs praktisch demonstriert.

Ebenfalls 1877 benutzte der französische Ingenieur Castel für sein Hubschrauber-Modell einen Druckluft-Antrieb, den er mit einem Kompressor vom Boden aus erzeugte. Ober Kolben wurden die je vier gegenläufig drehenden Koaxial-Rotorpaare betrieben. Castel stellte die Versuche ein, nachdem sich dieses Modell als sehr unstabil erwies und an einer Wand zerschellte.

1879 Im November 1879 präsentierte M. Dandrieux vor der französischen Aeronautischen Gesellschaft seine mit gedrehten Gummischnüren angetriebenen Helicopter-Modelle. Nicht weniger als 10 verschiedene Formen hatte er hergestellt. Die bekannteste und heute noch hier und da erhältliche Ausführung war der "Schmetterling". Durch Verbesserungen an der Form der Schrauben hatte er gegenüber anderen Vorläufermodellen wesentliche Leistungssteigerungen erreichen können.

1880 Thomas Alva Edison war auch an Flugmaschinen interessiert und der Meinung, dass der Hubschrauber am besten geeignet war, den Traum der Menschen vom Fliegen wahr zu machen. Von 1880 - 1897 experimentierte er mit Hubschraubern, die er durch Elektromotoren antrieb und deren Auftrieb er mittels einer Waage bestimmte. Die besten Ergebnisse erzielte er mit zweiflügeligen Schrauben mit großem Durchmesser und geringer Blatt-Tiefe. Trotzdem kam er zu der Erkenntnis, dass der geeignete Motor noch nicht vorhanden war, um Hubschrauber bauen zu können.

1890 Für den Propellerbau waren die Erfindungen von Wilhelm Kress (Kress-Schraube) richtungsweisend. Mit der Verwendung von Elektromotoren für Drachenflieger- und Hubschrauber-Konstruktionen befasste er sich planmäßig und erstellte genaue Berechnungen der erforderlichen Auftriebsleistungen. Praktische Versuche unternahm Kress mit Koaxial-Hubschrauber-Modellen, die auf Grund seiner nichts dem Zufall überlassenden Gründlichkeit beachtliche Flugstabilität erreichten.

1890 baute Kress ein Hubschrauber-Modell mit zwei Rotoren und konstruierte 1895 auf Anregung des militärischen Komitees des Kriegsministeriums ein großes Modell eines Fesselhubschraubers mit Elektromotor und zwei gegenläufigen übereinander angeordneten Hubschrauben von 4 m Durchmesser. Die mit diesem Modell durchgeführten Messungen in einem Raum von 3,80 m Höhe und 6,00 m Breite ergaben folgende Werte:

Luftschraubendurchmesser 3 m:
0,61 PS 8 kg Auftrieb = 16,7 kg/PS
Luftschraubendurchmesser 4 m:
0,64 PS 14 kg Auftrieb = 21,9 kg/PS
Im Freien mit 4 m Luftschraube:
0,56 PS 10 kg Auftrieb = 19,9 kg/PS
0,62 PS 16 kg Auftrieb = 25,8 kg/PS
0,39 PS 15 kg Auftrieb = 38,4 kg/PS
0,43 PS 17 kg Auftrieb = 39,6 kg/PS

Für einen manntragenden Großapparat wären nach diesen experimentellen Werten etwa 20 PS erforderlich gewesen, um einen Flugapparat mit einem 10 m messenden Propeller bei einem Leergewicht von geschätzten 325 kg in die Höhe zu bringen. Der Elektromotor hätte ein Gewicht von ca. 200 kg haben dürfen.

1893 Um die Jahrhundertwende befasste sich der 1846 in Prag geborene Georg Wellner, Professor für Maschinenbaukunde an der Universität Brünn, mit der Fliege-Kunst. Er war wohl einer der gelehrtesten und eifrigsten Verfechter der Schraubenflieger. 1893 unternahm er Versuche mit Luftschrauben, deren Ergebnisse er in mehreren Schriften veröffentlichte und damit auch anderen Flugtechnikern gesicherte Unterlagen für ihre Versuche zur Verfügung stellte.

1902 wurde Wellner ein Patent für eine Flugmaschine erteilt, die er Ringflieger nannte. Im wesentlichen sollte dieser Apparat aus einer Hubschraube bestehen, die von mehreren kleinen Motoren mit Propellern direkt angetrieben wurde. Noch kurz vor seinem Tode im Jahre 1909 erschien sein letztes Werk "Die Flugmaschine", in dem er die Resultate seiner mehr als dreissigjährigen Studien über Flugtechnik zusammengefasst hatte:
"Gerade so wie den unlenkbaren Kugelballons die Motorballons erst nachfolgten, sollten unter den ballonfreien Luftfahrzeugen zuerst die Schraubenflieger als Schwebeapparate und dann erst die gesteuerten Flugmaschinen an die Reihe kommen."

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